Corona-Ansteckung im Flugzeug: unterschätzte Gefahr?

Forscher glauben, dass eine Mund-Nasen-Maske im Flugzeug die Ansteckungsgefahr mit Corona senkt. Foto: Adobe Stock
Forscher glauben, dass eine Mund-Nasen-Maske im Flugzeug die Ansteckungsgefahr mit Corona senkt. Foto: Adobe Stock

Dicht an dicht und ohne Mindestabstand: Beim Fliegen mit Linienflugzeugen kann es ganz schön eng werden. Viele Reisende fragen sich deshalb: Wie hoch ist die Corona-Ansteckungsgefahr im Flugzeug? Fluggesellschaften sehen das Thema gelassen und halten das Risiko einer Ansteckung für gering. Doch Experten und Studien mahnen zur Vorsicht. Wie ist der aktuelle Erkenntnisstand? Ist Fliegen sicher oder eine unterschätzte Gefahr? Wir haben uns die aktuelle Erkenntnislage einmal angesehen.

Urlaub in Corona-Zeiten kann zu einem echten Erlebnis werden – und das nicht nur im positiven Sinne. Tests, Quarantäne und Beschränkungen drohen vielerorts – wie derzeit etwa auf Mallorca und in Kroatien. Jedes Land hat seine eigenen Bestimmungen, wie mit der aktuellen Krise umgegangen wird. Grundlage vieler Maßnahmen ist die Einhaltung des Mindestabstands und das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. Doch an kaum einem Ort ist das weniger gut möglich als in einem vollbesetzten Flugzeug. Für Passagiere scheint es leicht möglich, Tröpfchen und Aerosole des Sitznachbarn abzubekommen – trotz Maskenpflicht. Wer keinen Urlaub in Deutschland oder umliegenden Ländern machen möchte, muss notgedrungen in den Flieger steigen. Viele Reisende und Urlauber fragen sich deshalb: Wie hoch ist die Corona-Ansteckungsgefahr im Flugzeug? Können Schutzmasken an Bord vor einer Ansteckung schützen? Vonseiten der Fluggesellschaften gibt es dazu eine klare Haltung. Laut Airlines sei die Luft im Flugzeug aufgrund der eigesetzten HEPA-Filter so sauber wie die Luft in einem Operationssaal, wie etwa die Lufthansa zum Thema Gesundheitsschutz schreibt.

Überblick: Kann man sich im Flugzeug mit Corona anstecken?

  • aktuell gibt es eine Kontroverse darüber, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, sich im Flugzeug mit dem Coronavirus Sars-Covid-2 anzustecken
  • Fluggesellschaften halten die Gefahr der Ansteckung in modernen Flugzeugen für gering – aktuelle Studienergebnisse stützen diese These
  • Experten und andere Studien warnen hingegen vor einer hohen Ansteckungsgefahr in Flugzeugen

Wie argumentieren die Fluggesellschaften?

Fluggesellschaften geben an, dass die Luft in Flugzeugen besser sei als in vielen Büros und öffentlichen Räumen. Die Ansteckungsgefahr sei deshalb trotz der Nähe und der Nichteinhaltung des Mindestabstands gering. So sind etwa die Flugzeuge der Lufthansa und der meisten anderen Fluggesellschaften mit sogenannten HEPA-Filtern ausgestattet, mit denen die Luft in der Kabine gereinigt wird. Und diese Filtersysteme entnehmen der Kabinenluft Staub, Bakterien und Viren. So werden 40 Prozent der Kabinenluft auf diese Weise gereinigt, der Rest kommt von außen hinzu. Alle drei Minuten gibt es im Flugzeug einen kompletten Luftaustausch. Das gilt zumindest für aktuelle Airbus-Flugzeuge. Zudem zirkuliert die Luft aus der Klimaanlage im Flugzeug nicht wie üblich in Längsrichtung, als horizontal, sondern vertikal. Sie strömt von oben nach unten, was sich ebenfalls positiv auf die Vermeidung von Ansteckungen mit Viren über die Luft auswirkt. Die Maßnahmen machen die Kabinenluft sauberer als die Luft, die Personen normalerweise im Alltag einatmen. Die Argumentation der Fluggesellschaften klingt einleuchtend und dürfte so manchem Passagier die Angst vor der Corona-Ansteckungsgefahr im Flugzeug nehmen.

Corona-Ansteckungen im Flugzeug sind möglich

Dicht an dicht: An kaum einem Ort kommen so viele Menschen so eng zusammen wie in einem Flugzeug. Foto: Adobe Stock
Dicht an dicht: An kaum einem Ort kommen so viele Menschen so eng zusammen wie in einem Flugzeug. Foto: Adobe Stock

Während die Fluggesellschaften beschwichtigen, warnen andere Experten vor einer möglichen Ansteckung mit Sars-Covid-2 beim Fliegen. „Noch dichter kann man mit anderen Menschen gar nicht reisen. Und dann ist es eben einfach mit dieser Dichte und auch noch der langen Verweildauer nebeneinander das Risiko einfach erhöht, dass, wenn das Virus ausgeatmet wird, dass man es dann auch einatmet und dass sich das Virus dann im eigenen Rachen festsetzen kann.“, betonte der Epidemiologe Prof. Timo Ulrichs gegenüber Report Mainz. Studien unterstützen die Aussagen des Forschers und lassen an der Glaubwürdigkeit der Aussagen der Fluggesellschaften zweifeln. Professor Qingya Chen von der Purdue University erforscht seit Jahren mögliche Ausbreitungswege, durch die sich Passagiere im Flugzeug infizieren können. Der Wissenschaftler bemerkt, dass das Virus deutlich länger in der Luft bleibt als von den Airlines angegeben. „Die Aussagen der Fluggesellschaften sind irreführend. Denn unsere Forschung zeigt, dass die Tröpfchen bis zu vier Minuten lang an Bord zirkulieren können, bevor sie in der Klimaanlage gefiltert werden. Am gefährlichsten ist der Sitz direkt neben einem kranken Passagier. Entweder die Fluggesellschaften geben den Passagieren also richtige Masken mit FFP2-Standard oder sie müssen den Mittelsitz frei lassen“, so Chen. Wenn man volle Flugzeuge zulasse, müsse man mit einer verstärkten verbreitung des Virus rechnen, erklärt auch Prof. Ulrichs. Die aktuell steigenden Fallzahlen und eine mögliche zweite Welle, die zu einem guten Teil durch Urlaubsrückkehrer ausgelöst wird, könnte den Experten Recht geben.

Aktuelle Studie geht von niedriger Infektionsgefahr im Flugzeug aus

Während viele frühere Studienergebnisse von einer hohen Ansteckung im Flugzeug ausgehen, hat eine aktuelle Studie der Universität Frankfurt gegenteilige Ergebnisse geliefert. Laut Flugrevue haben die Forscher das Infektionsgeschenen auf einem Flug von Tel Aviv nach Frankfurt am Main beobachtet. Im Speziellen untersuchten sie Fluggäste, die bereits nachweislich mit dem Coronavirus infiziert waren. Die Rahmenbedingungen waren denkbar schlecht: Niemand der 102 Passagiere an Bord trug eine Maske. Nach der Ankunft in Frankfurt wurden sieben Mitglieder einer 24-köpfigen Reisegruppe positiv auf das Coronavirus getestet. Von diesen sieben Infizierten hätten sich laut der Wissenschaftler lediglich zwei weitere Personen an Bord angesteckt. Die Forscher betonen jedoch, dass selbst diese zwei Ansteckungen bereits vor dem Flug stattgefunden haben können. Die beiden Passagiere, die sich vermutlich bei einem der sieben nachgewiesenen Fälle angesteckt haben könnten, saß zwei Sitzreihen entfernt. Die Wissenschaftler der Goethe Universität Frankfurt machen – ebenso wie die Fluggesellschaften – den effektiven Luftaustausch im Flugzeug für die geringe Anzahl der Ansteckungen verantwortlich. Die Forscher betonten jedoch auch, dass eine Ansteckung im Flugzeug grundsätzlich möglich sei, wenn kein Mund-Nasen-Schutz getragen würde. Als Reaktion auf die Studienergebnisse drängten die Lufthansa und der BDL (Deutscher Luftfahrverband) darauf, wieder vermehrt Flüge auf der Langstrecke zu ermöglichen.

Fazit – Corona-Ansteckungsgefahr im Flugzeug: 100 Prozent Sicherheit gibt es nirgends

Fakt ist, dass man im Flugzeug sehr beengt sitzt. Ebenso ist es gesetzt, dass die Belüftung in vielen Flugzeugmodellen sehr gut ist. Die Ansteckungsgefahr mit diversen Krankenheit – nicht nur Viren, sondern auch Bakterien – ist für das Fliegen sehr gut untersucht. Längst war bekannt, dass es krank machen kann, im Flugzeug am Gang zu sitzen. Während Experten und Fluggesellschaften darüber streite, wie hoch die Corona-Ansteckungsgefahr im Flugzeug ist, dürfte jeder Vielflieger und häufig Reisende bereits seine eigenen Erfahrungen gemacht haben. Insbesondere nach Langstreckenflügen haben sich viele Reisende schon die ein oder andere Infektion eingefangen und nach dem Urlaub erst einmal mit Grippe oder Magen-Darm-Problemen flachgelegen. Die gefühlte Wahrheit scheint also mit der Ansicht vieler Experten übereinzustimmen. Und solange das Fliegen in vollen Flugzeugen gesetztlich erlaubt ist, muss jeder Urlauber und Geschäftsreisende selbst wissen, ob er sich dem Risiko aussetzt, sich im Flugzeug mit dem Coronavirus zu infizieren,

28. August 2020

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